192 Häuser gehören in Deutschland mittlerweile zum Projekteverbund unter dem Dach des Mietshäusersyndikats. Warum machen sie das – und warum wollen wir das ebenfalls tun?

Auch wenn wir kein klassisches Miethaus erwerben wollen, haben wir uns trotzdem für dieses Modell entschieden, weil es uns als eine geeignete Struktur für die Eigentümerschaft unseres Haus erscheint, es sich in Italien gerade zu etablieren beginnt und es außerdem einen europäischen Dachverband zur gegenseitigen Unterstützung gibt.

Häuser kollektiv erwerben

Auch in Deutschland sind die Hausprojekte sehr unterschiedlich, trotzdem findet sich eine vergleichbare Ausgangssituation, die in wesentlichen Teilen auch auf uns zutrifft:

Eine Gruppe tatendurstiger Menschen nimmt verfügbare Häuser ins Visier: Sie wollen endlich zusammen wohnen. Sie suchen ausreichenden und vor allem selbstbestimmten Wohnraum – häufig auch in Kombination mit öffentlichen Räumen für Veranstaltungen, für Gruppen, Projekte und Betriebe oder mit Land, wie in unserem Fall.

Allen gemeinsam ist der kollektive Wunsch nach einem Haus, in dem es sich selbstbestimmt leben lässt, ohne dass irgendwann eine unvermutete Kündigung wegen eines beabsichtigen Verkaufs oder einer rentableren Nutzung ins Haus steht und ohne selbst Eigentümer zu sein. Eine der wesentlichsten Grundpfeiler funktionierender Wohnprojekte ist der Umstand, dass Bewohnerschaft und Eigentümerschaft strikt getrennt sind. Dies kann ein Stiftung gewährleisten die selbst keinen Eigentümer hat oder auch das Miethaussyndikat, weil hier zwei Vereine als Eigentümer auftreten.

Abgesehen von den gerade angeführten Risiken wird in unserer Region nur ganz wenig Wohnraum zur ganzjährigen Miete angeboten (Touristische Vermietung ist lukrativer) und in den seltensten Fällen sind es Häuser mit entsprechend Land.

Die Kapitalfrage

Die Finanzierung des Kaufs erfolgt über Kredite, die durch Mieten bedient werden. Diese Kredite werden nach Möglichkeit als Direktkredite eingeworben, also ohne Umweg über die Bank. Dies ermöglicht trotz niedriger Verzinsung des Darlehens für die Geldgeber*innen einen höheren Ertrag als bei der Bank, und sie können sich außerdem ganz persönliche davon überzeugen, wofür ihr Geld verwendet wird.

Kapitalvermögen von Bewohner*innen fließt genauso über Kredite ein, ist aber keine Voraussetzung für die Wohnmöglichkeit oder den Verbleib im Projekt.

Auch bei diesem Themen können wir auf die Erfahrungen von fast 200 Projekten in Deutschland und einem guten Dutzend in Österreich zurückgreifen. Für die Aufnahme in den Projekteverbund ist zudem ein plausibler Finanzierungsplan des Projektes notwendig. Im Notfall kann es auch Unterstützung durch den Solidaritätsfond geben. Beides trägt zur Sicherheit der Darlehensgeber bei.

Der Blick über den Gartenzaun

Richten wir den Blick über die Grundstücksgrenze des einzelnen Hausprojekts und beziehen wir andere Hausprojekte in die Überlegungen mit ein. Es ist zwar richtig, dass alle Projekte in ihrer Anfangsphase in einer ähnlich schwierigen Situation sind. Aber Jahre später sieht die Lage in der Regel anders aus.

Da bei einer größeren Anzahl von Projekten nicht alle gleichzeitig in der schwierigen Anfangsphase sind, drängt die Gegenüberstellung die Überlegung auf, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Situationen verschiedener Hausprojekte zu schaffen.

Den Ausgleich organisieren

Etablierte Altprojekte sollen neue Projektinitiativen beraten und ihr Know-how zur Verfügung stellen. Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden. Das geschieht bereits jetzt beim Aufbau der Organisation in Italien, die von den Erfahrungen aus anderen Ländern profitiert und auch von diesen unterstützt wird.

Vor allem sollen die Altprojekte Überschüsse zu Gunsten neuer Projektinitiativen transferieren, statt ihre wirtschaftlichen Spielräume durch regelmäßiges Aufpeppen des Wohnstandards und/oder Mietsenkungen für sich zu verbrauchen. Denn durch die allmähliche Tilgung der Kredite ist die Zinslast bei Altprojekten erheblich niedriger und sinkt von Jahr zu Jahr immer stärker. Umgekehrt kann der Kontakt mit Projektinitiativen und ihrer Dynamik, die indirekte Teilhabe an aktuellen politischen Auseinandersetzungen um ein neues Hausprojekt wieder Bewegung in das stehende Gewässer mancher Altprojekte bringen.

Ein solcher Ausgleich zwischen autonomen Hausprojekten geht aber nicht von selbst über die Bühne, sondern will organisiert sein: Voraussetzung dafür ist eine dauerhafte Verknüpfung zwischen den Projekten, die den Transfer der Ressourcen und die dafür erforderliche Kommunikation möglich macht. Die Organisation eines solchen Solidarzusammenhangs ist die Idee des Mietshäusersyndikats. Sie wurde erstmalig 1989 beim Freiburger Grether Projekt formuliert. Das Vereinsstatut des Syndikats von 1992 benennt als Ziel, „die Entstehung neuer selbstorganisierter Hausprojekte zu unterstützen und politisch durchzusetzen: Menschenwürdiger Wohnraum, das Dach überm Kopf für alle.“

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